Stellungnahme des Deutschen Familienverbandes, Landesverband Sachsen, zur Vorstellung der 8. Regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung

Wir begrüßen, dass es nun eine aktuelle Vorausberechnung gibt, um sich der Realität der demografischen Verhältnisse in Sachsen zumindest anzunähern.

Die nächsten Jahre versprechen leider nichts Gutes, da durch die Verrentung der Babyboomer und dem Einbrechen der sowieso schon zu niedrigen Geburten seit 2016 in erster Linie Arbeitskräfte in bisher ungekanntem Ausmaß fehlen werden.

Die Situation um das Jahr 2030 wird am ehesten den 1990er Jahren ähneln: Verfallende Straßen, einbrechende Immobilienpreise auf dem Land und reihenweise Unternehmensaufgaben bei gleichzeitigem Fehlen junger Leute. Dazu kommt das allerorten fehlende Personal, um staatliche Leistungen oder auch die Pflege in der gewohnten Form aufrecht zu erhalten. Sachsen steht vor einer gesellschaftlichen Schrumpfung und ist in keiner Weise darauf eingestellt. Diese Entwicklung kann die Zustimmung zur demokratischen Grundordnung gefährden, da der Staat als nicht mehr handlungsfähig wahrgenommen werden könnte.

Diese Risiken wurden bei der Vorstellung der Vorausberechnung so nicht klar kommuniziert. Eventuell ist der Landesregierung und den Ministerien selbst nicht klar, was auf sie zukommt: Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg rechnet bis Anfang der 2030er mit einem Personalschwund im Öffentlichen Dienst von 30%.

Das bedeutet, dass in den heute bereits überlasteten Behörden das Personal nochmals um 1/3 reduziert wird. Das bedeutet weniger Lehrer, weniger Polizei, weniger Müllabfuhr, weniger Ärztinnen und Ärzte und weniger Mitarbeiterinnen, die sich beispielsweise um die Sichtung und Anerkennung ausländischer Abschlüsse kümmern können. Und weniger Pflegepersonal bei gleichzeitig stark steigendem Pflegebedarf.

Die Ursache der Misere liegt in den zu niedrigen und weiter sinkenden Geburtenzahlen

Die Ursache der Misere liegt in den zu niedrigen und weiter sinkenden Geburtenzahlen. In Westdeutschland seit 1970 und in Ostdeutschland seit 1990 werden zu wenige Kinder geboren. Dieser Trend ist weltweit zu beobachten und viele Länder suchen bereits nach Lösungen, um das Gründen einer Familie für junge Menschen attraktiver zu gestalten. Die skandinavischen Länder, Frankreich und Ungarn haben bereits erfolgversprechende Ansätze gefunden. Für die Regierungen in Italien, Japan, China und Südkorea ist die Fertilität ein Top-Thema der nächsten Jahre.

Wie schlecht die Lage in Sachsen ist, zeigen die Daten der Städte und des Landes selbst: Die zusammengefasste Geburtenziffer (TfR) für Leipzig sind 1,2 Kinder pro Frau 2022 und der Trend geht weiter bergab. Es müssten aber über zwei Kinder pro Frau sein – nahezu doppelt so viele – und das jedes Jahr. In einer Umfrage der Stadt Leipzig hat 2021 jedoch knapp die Hälfte der jungen Frauen angegeben, keine Kinder mehr kriegen zu wollen.

Stattdessen rechnet der vorliegende Bericht mit einer Zunahme der Bevölkerung in Leipzig. Hier ist der Punkt, wo man sich seitens der Landesregierung leider in den Bereich des Wünschenswerten und der Fantasie begibt:

Innenminister Armin Schuster: „Insbesondere die angenommenen Wanderungsgewinne mit dem Bundesgebiet und dem Ausland werden auch künftig unseren Bevölkerungsrückgang aufgrund des Geburtendefizits abschwächen.“

Den erhofften Zuzug aus dem Bundesgebiet nach Sachsen gibt es jedoch nicht. Im Gegenteil: Bis 2021 lag der Verlust durch Wegzug aus Sachsen laut Statistischem Landesamt bei -500.000 Personen. Da alle anderen Bundesländer auch schrumpfen, ist aus dieser Richtung keine Besserung zu erwarten.

Wünschenswerter qualifizierter Zuzug aus dem Ausland ist im absehbar benötigten Umfang ebenfalls nicht in Sicht. Was sich durch Vorgaben der Verwaltung erklären lässt: Ein syrischer Arzt beispielsweise darf erst dann ein Krankenhaus überhaupt betreten, wenn er das Sprachlevel C1 beherrscht, selbst wenn alle andere Abschlüsse bereits anerkannt wurden. Das ist Stufe 5 von 6 und fast Muttersprachniveau. Warum darf er nicht mit B1 in Praktika und begleitenden Diensten das Fachvokabular durch training on the job lernen? Das ist in der freien Wirtschaft ganz normal.

Ein Weiteres von unzähligen Beispielen: Man möchte dringend benötigte Pflegekräfte aus den Philippinen und Indonesien anwerben. Diese wollen kommen und brauchen Jahre, um die Ausbildung daheim abzuschließen und die Sprache zu lernen. Arbeiten dürfen sie dann trotzdem nicht, da Behörden hierzulande die Ausbildung danach als unzureichend ablehnen.

Weiterhin hält das Statistische Landesamt fest: „Für alle drei Varianten wird von einem linearen Anstieg der Geburtenrate bis zum Jahr 2030 ausgegangen.“

Worauf sich diese Hoffnung gründet, wird leider nicht erläutert. Für ein Ansteigen der Geburtenrate gibt es keinerlei faktische Grundlage, im Gegenteil sinkt sie seit Jahren. Damit wird die gesamte Projektion bis 2040 aus unserer Sicht in Frage stellt.

Was sicher gesagt werden kann ist, dass es immer weniger junge Menschen gibt, die immer weniger Kinder haben möchten. Die Corona-Jahre und der staatliche Umgang in dieser Zeit mit Familien, besonders Müttern, waren ebenfalls nicht ermutigend eine Familie zu gründen. Seit 2022 haben Abtreibungen wieder zugenommen, die Zahl der Neugeborenen ist abermals deutlich gesunken.

Warum das so ist, haben wir versucht mit unserer Studie „Faktoren der Familiengründung, Kinderlosigkeit und Kinderreichtum“ gemeinsam mit dem ifo Institut Dresden 2022 herauszufinden. Erste Ergebnisse haben gezeigt dass junge Menschen, besonders Frauen, sich viele Sorgen bezüglich der Zukunft machen.

Diese Unsicherheit muss und kann der Freistaat adressieren. Es ist aus unserer Sicht möglich und geboten, jungen Leuten in Sachsen die Entscheidung Kinder zu kriegen und eine Familie zu gründen, so leicht wie möglich zu machen.

Jungen Leuten die Entscheidung Kinder zu kriegen und eine Familie zu gründen, so leicht wie möglich machen

Ansatzpunkte gäbe es reichlich: Digitalisierung und Vereinfachung der Antragsverfahren (auch auf Englisch!), eine Erstausstattungsprämie für den Bedarf Neugeborener, Aufwertung des sächsischen Familienpasses, vergünstigte Kredite für den Kauf von Wohnungen (Bsp. Jung-für-Alt), Möbel und Familienautos oder Lastenfahrräder sowie eine Flexibilisierung des Landeserziehungsgeldes sind low hangig fruits. Man müsste seitens der Parteien nur zugreifen, um das Leben von Familien in Sachsen entscheidend zu verbessern und damit dem gesamten Bundesland eine etwas hellere Zukunft zu gewähren.

Der Ball liegt bei der Politik und es hilft nichts, die Verhältnisse schön zu rechnen. Spätestens die nächste sächsische Landesregierung wird sich der Kinderlosigkeit und den dadurch verursachten demografischen Verwerfungen stellen müssen.

Der DFV Sachsen sowie die Familienverbände der LAGF stehen gern bereit, gemeinsam Lösungen zu finden.

Friedrich Förster
Landesvorsitzender des DFV LV Sachsen e.V.

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