Was bewegt Menschen in Ostdeutschland dazu, ein Kind in die Welt zu setzen oder sogar kinderreich zu werden? Oder anders herum: Warum bleiben sie endgültig kinderlos? Diese Fragen untersucht eine neue, vom Deutschen Familienverband, Landesverband Sachsen, beauftragte Studie (Ifo-Institut „Faktoren der Familiengründung, Kinderlosigkeit und Kinderreichtum“). Im Mittelpunkt steht die Ermittlung und Prüfung von subjektiven oder „weichen“ Faktoren der Familiengründung, endgültiger Kinderlosigkeit und Kinderreichtum (3 und mehr Kinder).

Weiche Faktoren waren bisher seltener im wissenschaftlichen Fokus. So liefert die Studie neue Erkenntnisse darüber, was Elternschaft bzw. Nichtelternschaft beeinflussen kann und erweitert damit das bestehende Bild. Dies ist umso bedeutender, will man dem besonders in Ostdeutschland schnell voranschreitenden demografischen Wandel mit wirksamen politischen Maßnahmen begegnen.

Die Autoren der Studie zeigen auf, dass die Gründe für Familiengründung, Kinderlosigkeit und Kinderreichtum grundsätzlich vielseitig sind. Auch objektive oder „harte“ Faktoren wie Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus, Bildungsniveau, Nettoeinkommen und Verfügbarkeit von Kinderbetreuung wirken sich aus.

Um die Frage nach den weichen Ursachen in Ostdeutschland (mit Ostberlin) zu erörtern, widmet sich die Studie drei Personengruppen: a) Frauen und Männer, die ein erstes Kind haben (Familiengründung), b) Mütter und Väter, die ein drittes Kind bekommen haben (Kinderreichtum / Gründung Mehrkindfamilie) sowie c) Frauen und Männer im Alter von 45 bis 49 Jahren, die voraussichtlich keine Kinder mehr haben werden (endgültige Kinderlosigkeit).

Die Ergebnisse fußen auf bisheriger Forschungsliteratur (Ermittlung möglicher Faktoren) und der Analyse von Daten des Beziehungs- und Familienpanels Pairfam, einer seit 2008 jährlich erhobenen repräsentativen Umfrage mit der Entwicklungen untersucht werden können.

Hobbys, Freunde, Beruf – oder Kind?

Als wichtigster weicher Faktor der Familiengründung ergab sich die relative Wichtigkeit von Hobbys, Freunden und Beruf (durchschnittlicher Wert: 3,35/5). Außerdem fand sich ein Zusammenhang zwischen Erstelternschaft und dem Anteil der Personen mit Kindern im Freundes- und Bekanntenkreis (50% der Befragten gaben an, mindestens 50% Eltern im Freundes- und Bekanntenkreis zu haben). Ebenso spielen die Befürchtungen in Bezug auf die Partnerschaft eine Rolle. Sie fielen bei Personen, die ein erstes Kind haben, niedrig aus (0,31/5).

Endgültige Kinderlosigkeit wird laut der Studie von folgenden weichen Faktoren begünstigt: in absteigender Bedeutung – die relative Wichtigkeit von Hobbys, Freunden und Beruf (3,89/5), der Anteil an Personen mit Kindern im Freundes- und Bekanntenkreis sowie die ideale Kinderzahl (1,0). Die Bedeutung des ersten Faktors schätzen die Autoren der Studie als plausibel ein, weil man in ein oder mehrere Kinder viel Zeit investiert und diese Zeit bei Hobbys, Freunden und Beruf abgezogen werden muss. Es sei aber auch möglich, dass kinderlose Personen eben aufgrund der Kinderlosigkeit diesen drei Lebensbereichen mehr Zeit schenken wollten und auch könnten.

Auch für die Gründung von Mehrkindfamilien ergab sich die relative Wichtigkeit von Hobbys, Freunden und Beruf als wichtigster weicher Faktor (3,26/5). Insgesamt formulieren die Autoren verschiedene Wahrscheinlichkeiten der Familiengründung in Ostdeutschland wie:

  1. Wenn Hobbys, Freunden und Beruf geringere Wichtigkeit begemessen wird, wächst die Wahrscheinlichkeit, eine Familie zu gründen.
  2. Wenn viele Personen im Freundes- und Bekanntenkreis Kinder bekommen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, selbst eine Familie zu gründen.
  3. Geringere negative Erwartungen an die Partnerschaft erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Familiengründung.

Kinder- und Familienfreundlichkeit fördern

Auf der Basis der Studienergebnisse plädieren die Autoren u.a. für mehr Kinderfreundlichkeit. Zu ihren Vorschlägen gehört, einige Bereiche kinderfreundlicher zu gestalten (z.B. Kinderspielecken im Fitnesscenter) sowie Unternehmen, Hotels und Restaurants mit familienorientierten Freizeitangeboten zu fördern. „Bereits bei Werbung für Fachkräfte und Touristik könnte auf Familien- bzw. Kinderfreundlichkeit geachtet werden.“

Auch im Berufsleben wäre eine ausgeprägtere Kinderfreundlichkeit hilfreich. Die Autoren führen an, dass es anders als in den nordeuropäischen Ländern in Ostdeutschland unüblich sei, Kinder mit auf die Arbeit zu nehmen oder bei Online-Konferenzen auf dem Schoß der Mutter oder des Vaters sitzen zu sehen. Des Weiteren könnte der Ausbau der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – mit besonderem Augenmerk auf der Väterbeteiligung – die Elternschaft fördern.

Faktoren der Familiengründung, Kinderlosigkeit und Kinderreichtum in Ostdeutschland, Ifo-Institut Dresden, Dezember 2022

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