Minderjährige haben bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag keine Stimme. Bei Forderungen nach einer stärkeren politischen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, wie z.B. mit dem Wahlrecht ab Geburt, wird jungen Menschen oft Unwissen unterstellt.

Doch Initiativen wie die U18-Wahlen, die seit vielen Jahren zu Bundestagswahlen für und mit jungen Menschen durchgeführt werden, zeigen ein anderes Bild. Minderjährige sind sehr wohl dabei, wenn es darum geht, von ihrem „Stimmrecht“ Gebrauch zu machen – und selbstverständlich haben sie eigene politischen Interessen.

An der U18-Wahl zur Bundestagswahl vom 23. Februar beteiligten sich 166.443 Kinder und Jugendliche in ganz Deutschland. 2021 waren es über 260.000. Die Ergebnisse zeigen einige Unterschiede zu den Wahlen der Volljährigen. Würde die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag anders ausfallen, wenn junge Menschen tatsächlich ein Stimmrecht hätten?

Rückblick 2021: Platz 1 für Bündnis 90/Die Grünen

Bei der U18-Wahl geben die Teilnehmer ein Kreuz für eine Partei ab, was der Zweitstimmenwahl bei den Bundestagswahlen entspricht. Es stehen die gleichen Parteien zur Auswahl (Stimmzettelbeispiel).

2021 stimmen die meisten unter 18-Jährigen für die Grünen (21 Prozent). Dicht darauf folgt die SPD (19,2 Prozent). CDU/CSU erhalten 16,9 Prozent der Stimmen der jungen Wähler. Die FDP macht den 4. Platz mit 12 Prozent. Bei unter 10 Prozent und über 5 Prozent landen Linke, AfD und Tierschutzpartei.

Die Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 (Zweitstimmen) zum Vergleich:

Es fällt auf, dass die U18-Wähler 2021 stärker auf progressive oder Parteien aus dem linken politischen Spektrum setzen als die Abstimmenden der Bundestagswahl (65,4 vs. 56,7 Prozent). Umgekehrt erhalten konservative oder Parteien aus dem rechten politischen Spektrum weniger Stimmen bei der U18-Wahl als bei der Bundestagswahl (22,8 vs. 34,6 Prozent). Eine Besonderheit der 18-Wahl ist außerdem die „Qualifizierung“ der Tierschutzpartei, die dagegen bei der Bundestagswahl nur 1,5 Prozent der Stimmen erlangt.

Die Initiative „Juniorwahl“, die anders als die U18-Wahl ausschließlich in Schulen organisiert wird und mehr junge Menschen erreicht, kommt zu ähnlichen Ergebnissen (zum Vergleich).

Eine Erklärung für das starke Abschneiden der Grünen bei den Jugendwahlen 2021 ist das Thema Klimaschutz, das für viele junge Menschen zentral ist. Nicht zu vergessen war der Einsatz bei Klimabewegung „Fridays for Future“. Soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Bildungspolitik und Digitalisierung sind ebenfalls wichtig für Kinder und Jugendliche zu diesem Zeitpunkt.

Kehrtwende 2025: Von den Grünen zu den Linken und mehr Stimmen für die AfD

Vier Jahre später: Die Linke steigt bei der U18-Wahl mit einem starken Stimmenplus von 13,3 Prozent auf den ersten Platz auf (insgesamt 20,8 Prozent der Stimmen). SPD sowie CDU/CSU halten ihre Plätze, d.h. Platz 2 (SPD) und Platz 3 (CDU/CSU), mit leichten Stimmenverlusten. Die AfD rückt von Platz 6 mit einem Plus von 9,6 Prozent auf Platz 4 auf (insgesamt 15,5 Prozent). Die Grünen fallen von Platz 1 auf den letzten Rang, d.h. Platz 5. FDP und Tierschutzpartei nehmen die 5-Prozenthürde nicht – mit besonders starken Stimmenverlusten (minus 8,6 Prozent) für die FDP.

Bei der Bundestagswahl 2025 können sich CDU/CSU (28,6 Prozent der Stimmen) und insbesondere die in Teilen als rechtsextremistisch gesicherte AfD, die ihr Ergebnis im Vergleich zu 2021 verdoppelt, behaupten. Die Linke erreicht 8,8 Prozent (plus 3,9 Prozent im Vergleich zu 2021), trotz schlechter Wahlprognosen und starken Stimmenverlusten bei den letzten Landtagswahlen. Von den ehemaligen Ampelparteien können SPD und Grüne mit deutlichen Stimmenverlusten bestehen, die FDP schafft mit 4,3 Prozent nicht den Einstieg in den Bundestag.

Wie 2021 haben die unter 18-Jährigen 2025 stärker für Parteien aus dem linken politischen Spektrum oder progressive Parteien gestimmt als die Wähler der Bundestagswahlen (51,2 Prozent vs. 36,8 Prozent). Umgekehrt erhalten CDU/CSU und AfD insgesamt wieder weniger Stimmen bei der U18-Wahl als bei der Bundestagswahl (31,2 Prozent vs. 49,4 Prozent). Doch der Abstand hat sich verringert.

Weitere Ergebnisse:

  • 2025 sind bei U18- und Bundestagswahl die gleichen fünf Parteien „im Spiel“ (die Tierschutzpartei fällt bei den Jugendwahlen 2025 heraus)
  • Der Anteil der Sonstigen-Stimmen ist bei beiden deutlich angestiegen im Vergleich zu 2021
  • Die klassischen Volksparteien CDU/CSU und SPD können sich nicht als solche behaupten, wobei die Union bei den Bundestagswahlen zumindest ein paar Prozentpunkte dazugewinnen kann im Vergleich zu 2021. Die SPD erreicht das niedrigste Wahlergebnis ihrer Geschichte
  • Die AfD kann sowohl bei den Jugendwahlen als auch bei der Bundestagswahl ihren Stimmenanteil deutlich steigern und schafft es bei der Bundestagswahl auf den 2. Platz

Das Abschneiden der Linken ist eine der großen der Überraschungen 2025. Insbesondere zum Ende des Wahlkampfes kann die Partei überzeugen und erreicht vermutlich besonders viele junge Menschen mit ihrer Kommunikation in den Sozialen Medien. Auch die AfD ist dort bekanntermaßen sehr aktiv, u.a. im Kurzvideoportal TikTok.

Die Analyse der Wahlen 2021 / 2025 führt zu interessanten Ansätzen, aber es bleibt noch viel Raum für weitere Überlegungen und Untersuchungen. Außerdem sind die Ergebnisse der U18-Wahl nicht repräsentativ.

Wahlverhalten: komplex und teils widersprüchlich

Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) hat mehre Jugendstudien aus dem Jahr 2024, Auswertungen der Forschungsgruppe Wahlen zu den letzten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie verschiedene Presseartikel mit dem Fokus „Warum wählen junge Menschen die AfD?“ untersucht. Zu den politischen Einstellungen und zum Wahlverhalten von jungen Menschen (eingeschlossen auch junge Erwachsene bis 30 Jahre) schlussfolgert sie, „ein komplexes und teils widersprüchliches Bild“.

Insgesamt sei das Wahlverhalten junger Menschen anfällig für Schwankungen und stark von aktuellen Krisen und Themen beeinflusst. Die DKJS bilanziert außerdem „deutliche Anzeichen für Frustration, Politikverdrossenheit und einen ‚Rechtsruck‘ bei jungen Wähler:innen, insbesondere in Ostdeutschland und bei jungen Männern“. Nicht zuletzt tendierten höher gebildete junge Menschen zu progressiveren Positionen und zeigten stärkeres politisches Engagement. Höhere Bildung führe gleichzeitig nicht automatisch zur Ablehnung rechtsextremer Einstellungen.

Die Frage, ob junge Menschen grundsätzlich anders abstimmen, lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten. Die Jugendwahlen, darunter die U18-Wahlen, sind in ihren Ergebnissen nicht repräsentativ. Die Unterschiede bei den (simulierten) Wahlen für junge Menschen und den Bundestagswahlen können nicht als unumstößliche Tatsache angesehen werden. Hätten Kinder und Jugendliche das Wahlrecht, könnten ihre Abstimmungen weniger deutlich von denen Volljähriger abweichen.

Das Erstarken der AfD auch bei den Minderjähren muss ein Weckruf an demokratische Politik und Gesellschaft sein. Maßnahmen wie politische Bildung, die Stärkung von Medienkompetenz und demokratischer Inhalte in den Informationsmedien der jungen Generation sind unerlässlich. Notwendig ist auch eine Politik, die die Interessen der jungen Menschen in den Blickpunkt rückt.

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