Die Digitale Bildung an deutschen Schulen ist ein Sorgenkind. Mindestens versetzungsgefährdet müsste im Zeugnis zu lesen sein, wenn man die Bundesländer nach ihrer Leistung beurteilen würde, wie sie das digitale Lernen an Schulen umgesetzt haben. Die Coronakrise hat gravierende Mängel offenbart.
(Berlin). Seit annähernd 20 Jahren wird in Deutschland an digitalen Unterrichtsmaterialien und Lernplattformen für Schülerinnen und Schüler gearbeitet – und zwar 16-fach auf Länderebene. „Die Coronakrise hat deutlich gezeigt, dass die Bundesländer das digitale Zeitalter an Schulen verschlafen haben“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes (DFV).
Über mehrere Monate mussten Schüler und Eltern im Frühjahr 2020 mit einem improvisierten Schulbetrieb von zu Hause aus vorlieb nehmen. Selbstverständlich haben sich in dieser Ausnahmesituation viele motivierte Lehrer um ihre Schüler und den Lernstoff engagiert gekümmert. Doch der chaotische Fernunterricht war leider die Norm statt Ausnahme.
Digitale Notlösungen wie Lernplattformen, die dem technischen Stand nicht entsprechen, eine unkoordinierte Emailflut auf private Postfächer, fehlende digitale Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrer und das Einscannen von Papier-Arbeitsblättern haben offenbart, dass Kinder die Leidtragenden von Fehlplanungen und unzureichender Investitionen in die Digitalisierung der Schulen sind.
Die Faktenlage zur digitalen Bildung in Deutschland ist ernüchternd. Viele Schulen sind technisch unzureichend ausgerüstet. Es fehlt an Infrastruktur (Glasfaseranschlüsse, WLAN im gesamten Gebäude), an modernen Geräten (PCs, Tablets, Laptops), an Qualifizierungskursen, geschultem IT-Personal sowie – und das ist am Wichtigstem – an pädagogischen Softwarekonzepten.
„Die digitale Lernkatastrophe in der Coronakrise darf sich nicht noch einmal wiederholen“, sagt Zeh. „Für die digitale Bildung muss Geld in die Hand genommen und endlich entschieden gehandelt werden. Der von der Bundesregierung initiierte Digitalpakt Schule ist dazu ein guter Ansatz.“ Bund und Länder stellen dazu insgesamt 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung.
„Zum Start des neuen Schuljahres brauchen wir einen krisensicheren und hygieneorientierten Präsenzunterricht und in der Digitalen Bildung pragmatische Ansätze und den Mut zum Ausprobieren. Anstatt bürokratischer Antragshemmnisse und Konzeptmonster sind ein bundeseinheitlicher Rahmen und koordinierte Maßnahmen notwendig. Das ist auch mit der förderalen Länderstruktur möglich“, so Zeh. Digitale Bildungsangebote können den Präsenzunterricht nicht ersetzen. Sollen sie auch nicht. Fernunterricht kann aber dabei helfen, das Lernen für Schüler und Schülerinnen spannender und verständlicher zu machen. Je mehr Sinne angesprochen werden, desto leichter kann der Lernstoff verstanden werden.
Der Deutsche Familienverband fordert mit Nachdruck die Implementierung digitaler Bildung bei der Ausbildung zukünftiger Lehrer, die Unterstützung der Schulen mit finanziellen und technischen Mitteln, strukturierte Fortbildungsangebote für Schüler, ihre Eltern und Lehrer, pädagogische Lernsoftware, moderne und datenschutzsichere Lernplattformen sowie eine digitale Zugangsgerechtigkeit, die alle Familien gleichermaßen in den Blick nimmt. „Kein Kind darf aufgrund der finanziellen Situation der Eltern in der digitalen Bildung zurückbleiben“, sagt Zeh.
Zur Person
Dr. Klaus Zeh ist Präsident des Deutschen Familienverbandes. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Von Beruf Ingenieur, engagiert er sich seit 1989 politisch. Er war stellvertretender Vorsitzender des Demokratischen Aufbruchs und von 1990 bis 2012 Mitglied im Thüringer Landtag.
Im Freistaat Thüringen war Dr. Klaus Zeh Finanzminister (1990-94) und Familienminister (2003-2008) sowie Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei (2008-2009). Seit Juni 2011 bekleidet er das Amt des Präsidenten des Deutschen Familienverbandes. Von Juli 2012 bis Mai 2017 war er Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen.
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