Die mangelnde staatliche Anerkennung der Kindererziehung in der Sozialversicherung ist auch 2022 eine Armutsfalle. Das zeigen aktuelle Berechnungen der Familienverbände DFV und FDK.

(Berlin). Der Deutsche Familienverband (DFV) und der Familienbund der Katholiken (FDK) analysieren im Horizontalen Vergleich 2022, wie sich Sozialabgaben auf das frei verfügbare Einkommen von Familien auswirken.

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die finanzielle Situation für Familien deutlich verschlechtert: Fehlten einer Familie mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Einkommen 2021 noch 223 Euro ihres Existenzminimums, sind es 2022 insgesamt 2.472 Euro. Die in diesem Jahr zu erwartende Inflationsrate wird das Existenzminimum voraussichtlich sehr stark ansteigen lassen. Damit vergrößert sich die Schere noch einmal deutlich. Die Entwicklung schätzen die Familienverbände als dramatisch ein.

„Je mehr Kinder zu versorgen sind, desto weniger Rücksicht nimmt der Staat auf die finanziellen Belastungen der Familien. Das ist sozialpolitisch geradezu paradox“, sagt Klaus Zeh, Präsident des DFV. „Im Steuersystem ist die Belastungsgerechtigkeit hingegen klar geregelt: Wer leistungsfähig ist, zahlt mehr Steuern. Wer weniger leistungsfähig ist, zahlt weniger Steuern – das ist logisch. Das Sozialversicherungssystem nimmt jedoch keine Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit von Eltern. Kinderfreibeträge wie im Steuerrecht gibt es in der gesetzlichen Sozialversicherung nicht. Mit dem Ergebnis, dass es diejenigen bestraft, die durch die Kindererziehung deutlich weniger leistungsfähig sind.“

Zusammen mit dem FDK unterstützt der DFV deswegen Familien, die gegen familienblinde Abgaben in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung klagen und mittlerweile auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten.

„Auf Grundlage vorheriger Urteile des Bundesverfassungsgerichts fordern die Familienverbände einen Kinderfreibetrag in den gesetzlichen Sozialversicherungen für die Dauer der aktiven Familienzeit. Wir müssen das Sozialversicherungssystem, das völlig aus der Balance geraten ist, auf die Füße stellen. Da sich die Politik nicht bewegt, bleibt uns nur der Weg über Karlsruhe“, sagt FDK-Präsident Ulrich Hoffmann.

Reformansatz „Gerechtigkeit für Familien“: So werden Familien gleichgestellt

Mit dem Horizontalen Vergleich machen die Familienverbände jährlich aufs Neue auf den familiengefährdenden Armutsmissstand aufmerksam. In diesem Jahr rechnen sie zusätzlich vor, wie sich die Kombination zweier aus Gerechtigkeitsgründen gebotener Maßnahmen mit einer Entlastungswirkung von insgesamt 558 Euro im Monat (6.694 Euro pro Kind im Jahr) auf das frei verfügbare Einkommen von Familien auswirken würde.

Die vorgeschlagene Entlastung von Familien setzt sich zusammen aus:

  • der Anhebung des Kindergeldes auf die Höhe der Wirkung des Kinderfreibetrags beim Spitzensteuersatz, damit die Entlastungswirkung pro Kind in jeder Familie gleich und jedes Kind dem Staat gleich viel wert ist
  • der Einführung eines Kinderfreibetrags in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, und Pflegeversicherung, um in der Sozialversicherung endlich die Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen und Leistungsgerechtigkeit herzustellen

Der Horizontale Vergleich zeigt, dass einer Familie mit fünf Kindern und einem Durchschnittseinkommen in Höhe von 38.901 Euro etwas mehr als das Existenzminimum zur freien Verfügung stehen würde.

„Wer Kinderarmut wirkungsvoll bekämpfen will, muss Gerechtigkeit für Familien herstellen und auf diesem Weg eine Kindergrundsicherung gewährleisten“, so Zeh. „Nur eine Kindergrundsicherung, die einen Kinderfreibetrag in der gesetzlichen Sozialversicherung auf dem Schirm hat, kann eine wirkungsvolle Kindergrundsicherung sein.“

Ulrich Hoffmann betont: „Wer für Kinder sorgt, darf finanziell nicht diskriminiert werden. Wer einen Staat ohne Blick auf die Familien machen will, wird scheitern. Mit erheblichen Konsequenzen für unsere Gesellschaft und Wirtschaft.“

Weiterführende Informationen

Horizontaler Vergleich 2022 – Was am Monatsende übrig bleibt

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