Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbands (DFV), erläuterte in einem Gastvortrag auf der 24. Internationalen familienpolitischen Konferenz die Bedeutung familienpolitischer Entscheidungen zur Bewältigung demografischer Herausforderungen

Seit 2021 erlebt die Tschechische Republik einen deutlichen Rückgang bei den Geburtenraten. Mit 1,34 Geburten pro Frau ist ein niedriges Niveau erreicht, welches zuletzt in den 1990er-Jahren statistisch gemessen wurde. Diese Entwicklung ist kein Einzelfall, sondern Teil einer europaweiten Tendenz. Die Organisatoren der Konferenz – das Nationale Zentrum für Familie, die Hanns-Seidel-Stiftung und der Senat des Parlaments der Tschechischen Republik – stellten deshalb die Frage nach den Ursachen. Warum entscheiden sich Menschen immer weniger für Kinder?

Sebastian Heimann betrachtete die Situation aus deutscher Perspektive. Die Bundesrepublik kämpft seit langem mit niedrigen Geburtenraten. Seit den 1970er-Jahren ist die Zahl der Sterbefälle höher als die der Geburten, was langfristig zu einem Bevölkerungsrückgang führt. Für das deutsche System der gesetzlichen Rentenversicherung, so Heimann, ist das eine alarmierende Entwicklung. Die Beitragsbelastung werde absehbar in der Rentenversicherung steigen, weil der Generationenvertrag durch immer weniger Geburten zu gesellschaftlichen Verwerfungen führt: Immer weniger Kinder werden als Erwachsene einer immer weiter steigenden Zahl von Rentenempfängern gegenüberstehen.

Generationenvertrag Rente: Solidarisches Prinzip mit Grenzen

Heimann leitete seinen Vortag mit einer häufigen Fehldeutung ein: Viele glauben, dass ihre Beiträge in die Rentenversicherung bei Renteneintritt eins zu eins zurückgezahlt werden, quasi in einen Tresor eingezahlt werden und bei Renteneintritt aus dem Angesparten zehren können. Tatsächlich basiert das deutsche Rentensystem auf dem Prinzip des Generationenvertrags – einem solidarischen Modell zwischen Jung und Alt. Das bedeutet, dass die eingezahlten Beiträge nicht auf individuelle Konten, sondern direkt in die laufenden Rentenzahlungen fließen. Im Gegenzug erwerben Beitragszahler eine Art Rentengarantie, die von zukünftigen Generationen erfüllt werden muss.

Dieses System setzt voraus, dass genügend junge Menschen erwerbstätig sind, um die Renten der älteren Generationen zu finanzieren. Aufgrund des demografischen Wandels gerät diese Voraussetzung zunehmend ins Wanken, so Heimann. Er machte darauf aufmerksam, dass die Rentenversicherung auf immense Zuschüsse des Staates angewiesen ist. Diese steigen seit den 1990er-Jahren kontinuierlich an – von rund 30 Milliarden Euro im Jahr 1992 auf über 89 Milliarden Euro im Jahr 2023. Ohne eine ausreichende Zahl an Kindern stößt dieses System an seine Grenzen.

Der Familienexperte identifizierte vor allem den Rückgang kinderreicher Familien – also Familien mit mehr als zwei Kindern – als wesentlichen Faktor für diese „demografische Krise“. Derzeit kommen auf einen Beitragszahler etwa drei Rentenberechtigte. Prognosen gehen davon aus, dass sich dieses Verhältnis in Zukunft auf fünf oder mehr erhöhen wird. Heimann warnte eindringlich: Die demografische Entwicklung hat direkte Auswirkungen auf die Sozialsysteme und darf nicht ignoriert werden.

Ungleichheit bei Rentenleistungen für Eltern

Im weiteren Verlauf seines Vortrages stellte Heimann wichtige Gerechtigkeitsfragen in den Vordergrund, wie die ungleiche Behandlung von Eltern in der Rente, die besonders Mütter betrifft. Denn Frauen, die Kinder erziehen, erhalten oft deutlich geringere Renten als Frauen, die keine Kinder zu betreuen hatten. Es entstehe ein Paradox, so Heimann, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass ohne diese Kinder gar keine Rente ausgezahlt werden könnte.

Die Mütterrente ist mit derzeit 118 Euro im Monat eine viel zu geringe Anerkennung der tatsächlichen Leistungen und Belastungen, die mit Kindererziehung verbunden sind, wie Heimann betonte. Das System berücksichtige nur drei Jahre Kindererziehungszeit, obwohl viele Mütter 18 Jahre oder mehr in die Erziehungsarbeit investieren. Der DFV fordere deswegen eine umfassende Anerkennung der Kindererziehungszeiten bei der Rente – unabhängig vom Geburtsjahr des Kindes – um diese Ungleichheit zu beseitigen und den Wert der Familienarbeit angemessen zu würdigen.

Finanzielle Benachteiligung von Familien

Als weiteren Kritikpunkt führte Heimann familienungerechte Steuer- und Sozialabgaben an. Hier werden Familien mit Kindern oft genauso stark wie kinderlose Paare belastet, obwohl sie durch Erziehung und Betreuung deutlich weniger leistungsfähig sind. Heimann präsentierte Berechnungen des DFV zur gesetzlichen Renten-, aber auch Kranken- und Pflegeversicherung, die das höhere Armutsrisiko von Eltern aufgrund von Sozialabgaben zeigen. Er bewertete dieses System als familienblind und kritisierte: „Die Kindererziehung wird privatisiert, während Gewinne verstaatlicht werden.“

Gegen diese Ungerechtigkeit ging der DFV bereits mit den sogenannten Elternklagen vor und erreichte teilweise Erfolge. So erklärte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2022 die Pflegeversicherung für verfassungswidrig, weil bei ihrer Gestaltung keine Kinderzahl berücksichtigt wurde. Bei den Renten- und Krankenversicherungen sah das Gericht bislang keinen Änderungsbedarf. Der Verband plant nun eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Mehr Mut zu familiengerechter Politik

Der Vortrag verdeutlichte, dass die demografische Entwicklung kein fernes Zukunftsszenario ist, sondern die Gesellschaft bereits heute vor akute Herausforderungen stellt. Es braucht mutige politische Entscheidungen, um Familien zu stärken. Nur dann kann sichergestellt werden, dass das Sozialsystem auch in Zukunft tragfähig bleibt und Familien den Stellenwert bekommen, den sie als tragende Säulen der Gesellschaft verdienen.

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