Dr. Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Verfassungsbeschwerden des Deutschen Familienverbandes (DFV) und des Familienbundes der Katholiken (FDK) haben die Familien einen Erfolg bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung erzielt. In der Renten- und Krankenversicherung ist der Einsatz für eine familiengerechte Sozialversicherung trotz der abweisenden Entscheidung politisch umso mehr geboten.

(Berlin.) 16 Jahre lang haben sich Familien durch die Instanzen geklagt und gegen eine ungerechte Ausgestaltung der Sozialversicherungsbeiträge in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung argumentiert. Nach Auffassung der Familienverbände verstößt die doppelte Beitragsbelastung aus Geldbeiträgen und dem generativen Beitrag – also der Kindererziehung – gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes.

Das Bundesverfassungsgericht hat heute dem Klagebegehren dreier Freiburger Familien nur in der Pflegeversicherung stattgegeben. Es sieht eine spezifische Benachteiligung von Familien mit mehreren Kindern, die bei den Pflegeversicherungsbeiträgen gestaffelt nach der Kinderzahl entlastet werden müssten. In der Renten- und Krankenversicherung sieht es das Bundesverfassungsgericht anders. Familien erbrächten zwar einen generativen Beitrag für die Sozialversicherung, die derzeitige Ausgestaltung der Beitragserhebung sei allerdings noch im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums und nicht verfassungswidrig. Die Karlsruher Richter bestätigten hier die Entscheidungen der Vorinstanzen.

„Wir freuen uns, dass das Bundesverfassungsgericht unserer Argumentation in der Pflegeversicherung größtenteils gefolgt ist. In der Renten- und Krankenversicherung bringt die Abweisung der Verfassungsbeschwerden Klarheit, dass familiengerechte Sozialversicherungsbeiträge nur auf dem politischen Wege zu erreichen sind“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes. Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken, betont: „Familien sorgen durch die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder überhaupt erst für die Zukunftsfähigkeit unseres solidarischen Generationenvertrages. Die Einführung eines Kinderfreibetrages in allen Zweigen der Sozialversicherung ist weiterhin ein wichtiges Ziel der Familienverbände.“

2001 hatte das Bundesverfassungsgericht im Pflegeversicherungsurteil entschieden, dass es mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist, wenn Eltern in der gesetzlichen Sozialversicherung genau so stark belastet werden wie Menschen ohne Kindesunterhaltspflichten. Heute hat das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung dieses Grundsatzes auf die Pflegeversicherung beschränkt. Hier verpflichtet das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber, bis zum 31. Juli 2023 eine Beitragsentlastung gestaffelt nach der Kinderzahl einzuführen.

„So erfreulich die heutige Entscheidung zur sozialen Pflegeversicherung auch für Familien ist, sie betrifft leider nur den ökonomisch unbedeutendsten der drei Sozialversicherungszweige“, betont Ulrich Hoffmann. „So kann es nicht gelingen, Familien aus der strukturellen Benachteiligung und der Armut zu holen. In den für Familien finanziell entscheidenderen Zweigen der Renten- und Krankenversicherung bedeutet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Verlagerung von der juristischen auf die politische Ebene. Die Hoffnung der Klagefamilien lag beim Bundesverfassungsgericht, das sich bereits in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder als Garant eines familiengerechten Steuer- und Sozialsystems hervorgetan hat. Die Karlsruher Richter weisen uns nun einen neuen Weg: Nicht über Klagen, sondern über den politischen Diskurs ist Beitragsgerechtigkeit zu erreichen. Nicht nur im Interesse der Familien, sondern in erster Linie der Gesellschaft, brauchen wir eine strukturelle Reform der gesetzlichen Sozialversicherung, die die Erziehung von Kindern gerecht bewertet.“

Das politische Anliegen der Familien habe Bedeutung für die gesamte Sozialversicherung, wie Klaus Zeh erläutert: „Die auf die sozialen Sicherungssysteme zukommenden Herausforderungen lassen sich nur bewältigen, wenn die Sozialversicherung bei der Beitragserhebung auf die Leistungsfähigkeit Rücksicht nimmt. Daher ist der heutige Tag auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Sozialversicherung, die ihren Auftrag eines gerechten sozialen Ausgleichs erfüllt, anstatt durch übermäßige Beitragsbelastungen selbst Armut zu erzeugen.“

Die Familienverbände sind der Auffassung, die Sozialversicherung dürfe aus Gründen der Generationengerechtigkeit keine ökonomischen Anreize gegen Kinder setzen und gleichzeitig den Familien in der Erziehungsphase dringend benötigte Mittel entziehen. Die gegenwärtige und die nächste Generation würden dadurch übermäßig belastet. Durch die doppelte Belastung von Familien in der Sozialversicherung – durch Geldbeiträge und den generativen Beitrag der Kindererziehung – rutschen Familien mit zwei Kindern mit knapp 2.500 Euro unter das Existenzminimum. Das zeigten Berechnungen im Horizontalen Vergleich 2022. Durch die Einführung eines Kinderfreibetrages bei der Beitragserhebung zur Sozialversicherung könnten Familien während der aktiven Familienphase deutlich entlastet werden. Dadurch könnten Armutsrisiken und eine Verstetigung von Armut bis in Folgegenerationen hinein verhindert werden.

Politisch geht es auch um eine Berücksichtigung des Klima-Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021. Dazu führt Ulrich Hoffmann aus: „Lasten müssen innerhalb und zwischen den Generationen fair verteilt werden. Eine Sozialversicherung, die die in die Zukunft gerichteten generativen Beiträge vernachlässigt, verteilt die Freiheitschancen zu Lasten der nächsten Generation, der im demografischen Wandel immer weniger Spielräume bleiben. Eine strukturelle Benachteiligung von Familien ist weder generationengerecht noch nachhaltig.“

Weitere Informationen

Kampagnen-Webseite „Wir jammern nicht, wir klagen“

Horizontaler Vergleich 2022 (PDF)

FAQs der Familienverbände zu den Elternklagen:

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