Sehr geehrte Frau Glenz, über viele Jahre hinweg waren Sie in der Kommunalpolitik aktiv. Acht Jahre lang waren Sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Freiburger Gemeinderat. Was bewegt Sie, den Schritt von der Kommunal- zur Bundespolitik zu machen?

Ich konnte in der Kommunalpolitik viel bewegen. Meine Stärke war es, Mehrheiten für soziale Themen zu organisieren. Bei manchen Themen merkt man aber, dass man auf kommunaler Ebene an die Grenzen des Machbaren stößt. Hier braucht es eine breite Vernetzung und eine starke Stimme, die die Probleme vor Ort genau kennt und sich für pragmatische Lösungen einsetzt. So eine Stimme will ich sein!

Ihre Bundestagskandidatur steht unter dem Motto „Für ein neues Gemeinsam“. Welche Ziele verbinden Sie damit?

Ein modernes Miteinander der Generationen und eine effizientere Zusammenarbeit zwischen kommunaler, Landes- und Bundesebene, eine angemessene Streit- und Diskussionskultur sowie den Einsatz für die ‚Mitte“. Gerade die Stärkung von Familien – egal in welcher Konstellation – muss in der Politik eine höhere Priorität erhalten. Räume der Begegnung und Ehrenämter in den Kommunen sollten ausgebaut werden, um einer weiteren sozialen Spaltung entgegenzuwirken.

Neben Ihrer politischen Arbeit engagieren Sie sich ehrenamtlich für Familien. Was hat Sie persönlich dazu bewogen, Mitglied im Deutschen Familienverband zu werden?

Familie ist eine Lebensgemeinschaft mit starken Bindungen, in der mehrere Generationen – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung – füreinander sorgen. Sie ist für die Mehrzahl der Menschen der wichtigste Lebensbereich und zugleich die Institution, die die Entwicklungs- und Bildungschancen der Kinder am nachhaltigsten mitbestimmt.

Der Deutsche Familienverband nimmt sich seit Jahrzehnten den Herausforderungen vor den Familien stehen an. Diese Arbeit will ich unterstützen. Zudem lebe ich selbst in einer Patchworkfamilie und habe ein Handicap. Ich möchte meine Erfahrungen und Sichtweisen einbringen und dazu beitragen, dass wir im Familienverband zeitgemäße Unterstützungsangebote anbieten und die Vielfalt der Lebensmodelle abbilden können.

Kommen wir direkt auf die Familienpolitik zu sprechen. Sie machen sich in Ihrem Wahlkampf für die Unterstützung von Familien ganz besonders stark. Welche konkreten Unterstützungsangebote wünschen Sie sich für Eltern und ihre Kinder vor Ort und auf Bundesebene?

Um Familien zu unterstützen, braucht es aus meiner Sicht vor allem:

  • mehr Anlaufstellen und Begegnungsräume sowie konkrete Unterstützungsangebote vor Ort
  • partizipative Strukturen für eine zielgenaue Ausgestaltung
  • flächendeckender Ausbau des Rechtsanspruchs auf Nachmittagsbetreuung in Grundschulen
  • Verlässlichkeit und verbindliche Qualität der Betreuung

Ohne Familie ist kein Staat zu machen, doch in der Regel erleben Familien, dass die Politik Familien für etwas Selbstverständliches hält. Das hat sich besonders in der Corona-Pandemie gezeigt. Familien haben sich ungehört, unverstanden und alleine gelassen gefühlt. Warum ist das so?

Sie haben es bereits angesprochen: eine Familie wird von Politik und Gesellschaft ein Stück weit als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Das ist sie aber nicht! Das merken wir aber erst, wenn die Unterstützungsstrukturen, welche Familien bieten, ausfallen. Wir müssen mehr in Prävention investieren und dafür sorgen, dass Familien sichtbarer werden – in ihrer gesamten Vielfalt.

Ein drängendes Problem für Familien ist bezahlbarer Wohnraum. Inzwischen erreichen Mietpreise in Ballungszentren Höhen, dass selbst Mittelschichtsfamilien Schwierigkeiten haben, entsprechenden Wohnraum für sich und ihre Kinder zu bekommen. An welchen Stellschrauben würden Sie drehen, damit Wohnraum wieder bezahlbar wird?

Das Problem der nicht mehr bezahlbaren Mieten betrifft nicht nur Ballungsräume, sondern auch Umlandgemeinden. Gerade in der Region Freiburg. Um die Mieten zu senken, gibt es mehrere Stellschrauben: Zum einen müssen wir den Sozialmietwohnungsbau noch stärker fördern, die Bürokratie, welche das Bauen drastisch verlangsamt, abbauen und die Eigentumsquote erhöhen.

Das Leben in den eigenen vier Wänden darf kein Privileg der gesellschaftlichen Eliten sein, sondern muss der Mitte der Bevölkerung zugänglich sein. Neben der Wiedereinführung der Eigenheimzulage und der Stärkung von Mietkaufmodellen wollen die Freien Wähler deswegen eine Senkung der Grunderwerbskosten für Wohneigentum erreichen. Dabei müssen wir drauf achten, dass überwiegend barrierefrei gebaut wird. Nur so besteht die Möglichkeit, dass Familien ein Leben lang in ihrem Eigentum wohnen bleiben können.

Lassen Sie uns über Mobilität sprechen. Sie sagen, dass Mobilität eine Grundlage für Chancengerechtigkeit ist. Welche Herausforderungen gibt es hier zu meistern?

Verbunden mit der Anforderung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land muss die Mobilität in Regionen gedacht und das Umland stärker angebunden werden. Die Anbindung an Oberzentren muss insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr und im Radverkehr verbessert werden. Dazu müssen zum Beispiel Radschnellwege im Metro-Bereich von 25 Kilometern stärker gefördert werden. Zudem muss der öffentliche Personennahverkehr barrierefrei ausgebaut und bezahlbar bleiben.

Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich, dass die meisten Schulbehörden in der Krise versagt haben. Anstatt auf schnelle Lösungen, Kreativität und Innovationen zu setzen, versteckten sie sich hinter bürokratischen Regeln und macht damit Schülern und Lehrern die Schulbildung schwer. Inzwischen spricht man von einer verlorenen Corona-Schülergeneration. Was wäre wichtig, um das Bildungssystem endlich auf Vordermann zu bringen?

Grundsätzlich muss in der Verwaltung weniger in Zuständigkeiten als vielmehr in Lösungen von Problemen gedacht werden. Hierfür braucht es interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden. Hier kann Verwaltung von der Wirtschaft lernen. Arbeiten in Projekten, um kurzfristig auftretende Probleme in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen und zu lösen.

Regelmäßig vor den Bundestagswahlen finden in Schulen U18-Wahlen statt, also eine quasi-Wahl von Kindern und Jugendlichen. Wie ist Ihre Haltung zur Herabsenkung der Wahlaltersgrenze zu Landtags- und Bundestagswahlen?

Ich stehe der Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Bundestagswahlen grundsätzlich positiv gegenüber. Aus meiner Sicht werden politische Inhalte in der Schule aber noch zu wenig thematisiert. Gerade wenn das Wahlalter abgesenkt wird, müssen wir politische Bildung in den Schulen stärken.

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel“. Das Zitat wird Johann Wolfgang von Goethe zugeschrieben. Sie benutzen es auf Ihrer Wahlkampf-Webseite. Welche Bedeutung hat das Zitat für Sie selbst?

Eine ganz wichtige! Ich habe das Glück gehabt, von meinen Eltern viel Unterstützung erhalten zu haben. Gerade aufgrund meines Handicaps mussten meine Eltern weit mehr Kraft investieren als dies üblich ist. Dafür bin ich sehr dankbar!

Genauso wichtig war es jedoch für mich, Selbständigkeit zu erlangen und eigene Erfahrungen zu machen. Ich will gerade auch Eltern von Kindern mit Behinderung ermutigen, das Loslassen bei aller Fürsorge nicht zu vergessen! Kinder und Eltern, welche nicht aus eigener Kraft Wurzeln schlagen oder Flügel ausbilden können, muss die Gesellschaft unterstützen. Damit jeder die Chance hat, seine Fähigkeiten zu entwickeln.

Was wären Ihre drei wichtigsten Prioritäten, wenn Sie am 26. September als Abgeordnete in den Bundestag gewählt werden?

  • Weniger Bürokratie, mehr lösungsorientiertes Handeln
  • Stärkung des Zusammenhaltes und der Begegnung der Generationen
  • Bildung und Teilhabe für alle ermöglichen

Sehr geehrte Frau Glenz,
vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei den anstehenden Wahlen.

Weitere Informationen

Kandidaten-Webseite von Anke Glenz

Facebook: https://www.facebook.com/anke.dallmann.5

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